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Paul Borek

1 Stolperstein - Holtfortstraße 35

Patenschaft

Patenschaft für den Stolperstein: Familie Borek
Verlegung des Stolpersteins: 16. Dezember 2023

Leben

Paul Borek wurde am 19. Mai 1905 in Bottrop geboren. Er war das zehnte Kind des Bergmanns Alois Borek und seiner Frau Franziska, geb. Skrzyschowski. Seine Eltern waren Mitte der 1890er Jahre wie so viele Oberschlesier auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen ins Ruhrgebiet gekommen. Sie stammten aus Godów im Kreis Rybnik und kamen mit zwei kleinen Söhnen nach Bottrop. Dort wurden alle weiteren zwölf Kinder geboren.

Eintrag im Gedenkbuch zur Erinnerung an die Ermordeten der nationalsozialistischen „Euthanasie“ in der Tötungsanstalt Hadamar.© (privat) Cornelia Borek

Einige seiner Brüder folgten dem Beispiel des Vaters und wurden Bergmann. Paul dagegen verschlug es nach der Schulzeit im Jahre 1923 ins Münsterland. Zunächst arbeitete er zwei Jahre als landwirtschaftlicher Arbeiter bei einem Bauern in Lembeck. Anschließend absolvierte er in Groß Reken eine „Anstreicherlehre“, die er am 13. März 1928 mit der Gesellenprüfung abschloss. Seine bereits in Lembeck aufgefallene besonders fromme Lebensweise soll sich in dieser Zeit durch die Teilnahme an Exerzitien, also geistlichen Übungen, verstärkt haben.

Anfang Mai 1928 zeigten sich erstmalig Krankheitsanzeichen: Während der Malerarbeiten in einem Krankenhaus teilte er einem zufällig vorbeikommenden Pater mit, dass er umgehend in ein Kloster eintreten wolle. Als dieser den Wunsch mit einem Scherz erwiderte, legte Paul umgehend die Arbeit nieder und fuhr zu seinen Eltern nach Bottrop. Nach einer Untersuchung im dortigen Marienhospital wurde er am 1. Juni 1928 mit der Diagnose Schizophrenie in die Provinzialheilanstalt Warstein i. W. eingewiesen. Sein Vater und einer seiner Brüder, der Polizeiwachtmeister war, begleiteten ihn.

Bereits bei der Einlieferung war Pauls körperliche Verfassung nicht gut gewesen: er wurde als „mittelgroßer Mann in reduziertem Ernährungszustand“ beschrieben. Zunehmend verschlechterte sich in der Heilanstalt nicht nur sein körperlicher, sondern auch sein als psychischer Zustand: zunehmend desorientiert und verhaltensauffällig, zeigte er sich entweder aggressiv oder sehr in sich gekehrt. Seiner im Bundesarchiv verwahrten Patientenakte ist zu entnehmen, dass seine Familie ihn trotz der Entfernung zumindest bis Ende der 1930er Jahre in Warstein regelmäßig besuchte sowie Pakete und Briefe schickte. Paul reagierte auf alle Formen der Kontaktaufnahme zunächst erfreut, verfiel aber regelmäßig sehr schnell in einen teilnahmslosen Zustand.

Ab 1938 mehrten sich die Einträge in der Krankenakte, dass er ein „Dauerfall“ sei und die zuvor detailliert erfassten Beschreibungen zum Verhalten und zur Verfassung des Patienten nahmen merklich ab.

Am 14. Juli 1941 wurde er in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster verlegt. Mit diesem Eintrag endet seine Krankenakte aus Warstein. Wie die weiteren Recherchen ergaben, wurde er mit einem der letzten Transporte von Weilmünster am 21. August 1941 nach Hadamar deportiert, wo er umgehend ermordet wurde. Sein Name ist im „Gedenkbuch zur Erinnerung an die 1941-1945 in der Tötungsanstalt Hadamar Ermordeten“ verzeichnet.

Ein Neffe Pauls hatte bereits seit den 1980er Jahren die Familiengeschichte erforscht, diverse Treffen der weitverzweigten Familie initiiert und alle Informationen in Buchform zusammengestellt. Zu Paul gab es keinerlei Informationen, so dass im Stammbaum lediglich sein Name verzeichnet war. Als eine Großnichte im Frühjahr 2021 zufällig auf die T4 Liste mit Pauls Namen stieß, war die Verwunderung groß. Keiner seiner Brüder oder Schwestern hatte je ein Wort über sein Schicksal verloren, obwohl viele ihn in der Heilanstalt in Warstein besucht hatten. So kannten die nachfolgenden Generationen nur die Erzählung, dass es einen (Groß-)Onkel gegeben hätte, der „wohl sehr fromm gewesen sei und der bereits als Jugendlicher gestorben“ wäre.

Seit 2022 ist nunmehr nicht mehr nur sein Name, sondern auch seine Lebensgeschichte im Stammbaum der Familie verankert.

Text: Emily Bentz, Annika Plöger, Louis Kanzler und Timo Baron; SchülerInnen der Jahrgangsstufe Q1 der Willy-Brandt-Gesamtschule Bottrop im Schuljahr 2022/2023 in Zusammenarbeit mit Cornelia und Rudolf Borek

Literatur und Quellen

Bundesarchiv, Bestand R 179 Kanzlei des Führers, Hauptamt II b, Patientenakte Provinzialheilanstalt Warstein i. W., R 179/23794.

LWV-Gedenkstätte Hadamar: Gedenkbuch zur Erinnerung an die Ermordeten der nationalsozialistischen „Euthanasie“ in der Tötungsanstalt Hadamar (https://www.gedenkstaette-hadamar.de/besuch/ausstellungen/, abgerufen am 23. Juni 2023).

Bernd Walter: Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne. Geisteskrankenfürsorge in der Provinz Westfalen zwischen Kaiserreich und NS-Regime, Paderborn 1996.

Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hg.): Verlegt nach Hadamar. Die Geschichte einer NS-„Euthanasie“-Anstalt, Kassel 2009.

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