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© Stadt Bottrop

"The Long Goodbye" verwebt Kunst und Krimigeschichte

Einzelausstelleung von Catherina Cramer bis 30. Juni

Zeitgleich mit Präsentation der Depotsammlung wird eine Einzelausstellung von Catherina Cramer (*1988) eröffnet. Sie ist Preisträgerin des Förderpreises Kataloge für junge Künstler der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Mit ihrer Rauminstallation „The Long Goodbye“ beschäftigt sich  die Künstlerin den historischen und gesellschaftlichen Dimensionen des Krankseins. Cramer blickt dabei auf patriarchale Strukturen der Gesundheitsregime und reflektiert Konzepte wie Self-Care und Resilienz, die nicht zuletzt im Zuge der Covid-19-Pandemie eine neue Aktualität erfahren haben.

Für ihre Installation wurde eigens ein etwa 40 Quadratmeter großer Raum in der Ausstellungshalle gebaut. Mit dem Titel „The Long Goodbye“ bezieht sie sich auf Robert Altmans gleichnamigen Kriminalfilm von 1973, in dem er den männlichen Helden des Film noir dekonstruiert. Auch Cramer nimmt in ihrer Arbeit typische Stilelemente und klischeebehaftete Erzählstrukturen auseinander und experimentiert mit den Möglichkeiten der Narration. So auch in ihrem Film „Insickure“ dem Herzstück dieser Ausstellung.

Requisiten des Films „Insickure“ finden sich auch in der Rauminstallation von Catherina Cramer.© Stadt Bottrop

Die Figuren in dem 30-minütigen Film sind von einer unerklärlichen Erschöpfung und weiteren kognitiven und körperlichen Symptomen betroffen. In einer dunklen, aus der Zeit gefallenen Klinik recherchiert die Ermittlerin Dylan ihren Zustand. Sie scheint einer Krankheit auf der Spur zu sein, die als Myalgische Enzephalomyelitis/das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) benannt wird. Die Krankheit ist komplex. Schwere Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen gehören zu ihren Symptomen. Betroffene nehmen kaum mehr am gesellschaftlichen Leben teil, sind isoliert und vor allem im Sinne eines patriarchal-kapitalistischen Werte- und Arbeitssystems nicht produktiv. Cramers Film verhandelt diese Verstrickungen und verdeutlicht, dass Krankheit nicht nur eine medizinische Frage ist, sondern auch eine politische.

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Wie könnte sich eine Realität konstituieren, in der psychische und physische Abweichungen von einer gesetzten Norm nicht unweigerlich zu Ausschlüssen führen, sondern integriert werden? Und dies mit dem Potenzial, ein Miteinander zu kreieren, das nicht auf der Bereicherung weniger und der Ausbeutung vieler, sondern auf neuen Formen der Verbundenheit und Fürsorge basiert? Wie also verhält sich (chronische) Krankheit zu einer Welt, die auf permanenter Verfügbarkeit und Leistungsbereitschaft basiert, und damit auf gesunden, unversehrten und produktiven Körpern?

In der Geistesgeschichte des vergangenen Jahrhunderts tragen Autoren, Künstlerinnen und Phi-losophinnen zu diesen Fragestellungen bei, darunter Alice James, Virginia Woolf, Michel Foucault, Susan Sontag, Judith Butler, Carolyn Lazard und Johanna Hedva. Sie haben die sexistischen, klassistischen und rassistischen Implikationen des Krankseins verhandelt, die gewaltvollen Machtmechanismen der Medizin analysiert, die Verwundbarkeit von Körpern als größte Gemeinsamkeit sowie als größte Differenz vorgestellt und schließlich zum Widerstand aufgerufen, in der Überzeugung, dass das Aufeinander- und Auf-sich-selbst-Achtgeben den größtmöglichen antikapitalistischen Protest darstellt.

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In ihren installativen, oft raumgreifenden Arbeiten, die aus Objekten und Filmen bestehen, entwirft Catherina Cramer eigentümlich anmutende Szenarien. Wie auch in „The Long Goodbye“ verdichtet die Künstlerin all diese Zusammenhänge durch die reflektierte Ausdrucksweise. Sie beobachtet gesellschaftliche Phänomene aus Geschichte und Gegenwart, recherchiert Fakten und verwebt diese zu komplexen, bildmächtigen Erzählungen. So erweitert sie Realitäten, um neue Gesellschaftsformen zu imaginieren und dabei das Wissen und die Kontrolle über Körper zu verhandeln.

Die mit ihrer Nähe zu Theater und Film spielenden Einzelausstellung ist bis zum 30. Juni zu sehen.

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